Wunder brauchen länger

Wunder brauchen länger

Ein Impfstoff gegen die Amerikanische Faulbrut?
Ein einfaches Salz gegen die Varroamilbe?
Kleine Geschichte über zu große Versprechungen

Von Bernhard Honnigfort

Anfang des Jahres 2023, ein neuer Durchbruch: Die Tagesschau berichtete prominent, US-Wissenschaftlern sei es gelungen, ein Serum zu entwickeln gegen die Amerikanische Faulbrut (AFB), den wahrscheinlich düstersten Alptraum aller Imker. Ein Immun-Präparat des Herstellers Dalan Animal Health war in den USA zugelassen worden, das Bienen per Impfung vor der AFB wirksam schützen sollte. Man mischt es einfach unters Futter, die Bienen nehmen den Wirkstoff auf, die Königin tut es, er gelangt in den Körper, er gelangt in den Futtersaft. Er wirkt.

Damit wäre dem Bazillus, das ausschließlich Bienenlarven befällt und sie in den Zellen zu stinkender brauner Matsche zersetzt, endlich der Garaus gemacht. Alles klang nach Durchbruch: Hurra, der erste weltweit zugelassene Impfstoff gegen AFB.

Ein wissenschaftlicher Fortschritt, der auch den Imkern und Imkerinnen bei uns in Dresden gut gefallen würde, wo die Verbreitung der AFB in den vergangenen Jahren nur mit großen Säuberungen mühsam und extrem aufwendig eingedämmt werden konnte, was aber noch nicht überall zum dauerhaften Erfolg geführt hat. Es bleibt schwierig, denn beispielsweise in DD-Friedrichstadt ist es bislang nicht einmal gelungen, die Verursacher, befallene Bienenstände oder sporenbelastete Überbleibsel verfallener Bienenbeuten, aufzuspüren. Man sucht und sucht und sucht.

Das amerikanische Wundermittel wird uns erst einmal auch nicht weiterhelfen, denn seine Trefferquote ist zu gering. Es war Professorin Elke Genersch vom Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf bei Berlin, die aus der vermeintlichen Erfolgsmeldung über den Bakterienkiller die Luft herauslies und feststellte, die bislang gemessene Erfolgsquote von 30 bis 50 Prozent an weniger erkrankten Larven sei kein Erfolg, sondern nur ein etwas kleinerer Misserfolg. Im Umkehrschluss, so die Wissenschaftlerin, würden weiterhin 50 bis 70 Prozent der Larven befallen. Angesichts der  milliardengroßen Sporenlast, die in den zersetzten Larven entsteht, sei das eben kein Erfolg. „Es reicht eine tote Larve, und dann geht’s richtig los“, meinte sie in der Tagesschau.

Tatsächlich steckt die Forschung noch ganz in den Anfängen, das Präparat wird in den USA weiter erprobt, wann und wenn überhaupt bei uns etwas auf den Markt kommt – nichts Genaues weiß man nicht.

Die Geschichte erinnert an eine andere „geheime Wunderwaffe“, die sich schnell als Rohrkrepierer entpuppte. Vor fast genau fünf Jahren verkündete die Universität Hohenheim den Durchbruch im Kampf gegen die Varroa-Milbe: „Ein günstiger, einfach anzuwendender Wirkstoff gegen die gefährliche Milbe, der nach dem aktuellen Kenntnisstand der Forscher  keine gefährlichen Nebenwirkungen für Bienen, Imker oder Verbraucher hat und in der Natur reichlich vorkommt.“ Das sei das Lithiumchlorid, ein leicht in Wasser lösbares Salz, das in Unmengen auf der Erde vorkommt und billig zu beschaffen sei. Die Landesanstalt für Bienenkunde teilte damals mit: „Lithiumchlorid kann man Bienen in Zuckerwasser aufgelöst füttern. Bei unseren Versuchen haben bereits geringe Mengen der Salzlösung ausgereicht, um innerhalb weniger Tage die auf den Bienen aufsitzenden Milben abzutöten – ohne Nebenwirkungen für die Bienen.“

Das klang wie Erlösung, so herrlich wie ein Märchen. Es war die traumhafte Geschichte eines Glücksfundes in der Bienenwissenschaft, denn es war tatsächlich der reine Zufall, der die Wissenschaftler darauf gebracht hatte, dass das als Hilfs- und Transportmittel eingesetzte Lithiumchlorid wirksam war und nicht die in der salzhaltigen Lösung schwimmende Gen-Mischung.

Auf den Jubel, der nach der Entdeckung Bienenwissenschaft und Imkerei  erfasste, folgte bald die Ernüchterung. Denn die gefeierte „geheime Wunderwaffe“ schädigte zwar tatsächlich keine erwachsenen Bienen, aber anders sah es beim Nachwuchs aus. Bienenlarven vertrugen das verabreichte Salz deutlich schlechter, so dass das Bieneninstitut der Erfolgsmeldung kurze Zeit später das nötige Kleingedruckte nachreichte: Man könne eigentlich nur erwachsene Bienen damit behandeln, Kunstschwärme oder Bienenvölker im brutlosen Zustand. Das war das vorläufige Ende der Erfolgsstory, die keine war. Der Stand heute: Es wird weiter geforscht.

Fünf Jahre ist das alles jetzt her und sollte uns eine Lehre sein: Forschung braucht Zeit, wir Imker und Imkerinnen machen erst einmal weiter wie bisher. Und Wunder brauchen länger, wenn sie denn überhaupt stattfinden.

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