Apis mellifera – die Verlorene

Auch  die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) kann im reinen Wortsinn zu den „Wildbienen“ gezählt werden, denn einst lebte sie ebenso wie ihren zahlreichen Verwandten aus der Familie der Bienen (Apidae) frei in unserer Natur; hoch oben in hohlen Bäumen, an Waldrändern und Lichtungen, das Flugloch zur Sonne gerichtet. Und mit diesen Verwandten teilt sie viele Aspekte ihrer Lebensweise, insbesondere ihre rein vegetarische Ernährung mit Nektar, den sie auf Blüten sammelt, so wie auch den Blütenstaub (Pollen), mit dem sie, mit Nektar vermischt, ihren Nachwuchs ernährt. Auch die Befähigung in sozialer Gemeinschaft zu leben, Nahrungsvorräte anzulegen und ihre Brutnester aus selbst erzeugtem Wachs zu bauen, teilt sie mit anderen Bienengattungen, bei uns insbesondere mit den Hummeln (Bombus).

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Die Honigbiene hat es jedoch in all diesen Disziplinen zur Perfektion gebracht, was ihr eine Sonderstellung in der Gruppe der Bienen einräumt und ihr neue Möglichkeiten eröffnete. Die hohe Komplexität ihrer Sozialstruktur ermöglicht es ihr als einziger bei uns heimischer Bienenart, als komplettes Volk zu überwintern und dies nicht in der für Insekten üblichen Kältestarre, sondern als 20 °C warme Wintertraube. Um die hierfür erforderliche Wärme zu erzeugen, benötigt die Honigbiene große Mengen an Heizmaterial in Form von zu Honig veredeltem Nektar.

Ihr hierfür notwendiges unermüdliches Sammeln hat sie für den Menschen zum Inbegriff des Fleißes gemacht, seinen Blick aber leider auch in profanerem Sinn auf sie fallen lassen, da der süße Honig und das Wachs, in dem dieser aufbewahrt wird, bei ihm schnell Begehrlichkeiten weckten. Und so kam es, dass Homo sapiens die Honigbienen aus den Höhen der Wäldern holte und sie in am Boden stehende Kisten sperrte – dem Lebensraum der Schnecken – wo sie seither ihre Waben auf vorgefertigten Wachsplatten bauen, welche sich in herausnehmbaren Holzrahmen befinden, die den Menschen zu regelmäßigen Eingriffen in ihr Allerheiligstes, das Brutnest, befähigen.

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Viele ihrer natürlichen Eigenschaften, wie die Bereitschaft, ihr Nest notfalls bis zum Tod gegen Eindringlinge von innen und außen zu verteidigen; ihren starken Willen, sich in Form von Schwärmen zu vermehren oder die Fähigkeit, ihren tatsächlichen Vorratsbedarf einzuschätzen, hat sie durch gezielte Zucht verloren. Sammeleifer, Sanftmut und Schwarmträgheit galten als die neuen Tugenden.

Heute ist ein Überleben der Honigbiene in unseren Wäldern kaum noch möglich. Genetische Verarmung, fehlende Nistmöglichkeiten, nahrungsarme Landschaften und die Varroamilbe, ein vom Menschen eingeschleppter natürlicher Parasit einer asiatischen Bienenart, machen den wenigen Schwärmen, die den Weg zurück in die Freiheit finden, das Leben schwer. Als Wildtier gilt Apis mellifera in Deutschland daher als ausgestorben.