Die Bienen der Zukunft

Die Buckfastbienen sind robust, fleißig, friedlich. Gezüchtet wurden sie von einem deutschen Mönch in einem englischen Kloster, nachdem ein Großteil der Bienen auf der britischen Insel von einer Seuche dahingerafft worden war.

In Sachsen entwickeln Züchter wie Tino Lorz Bienen, die endlich ohne menschliche Hilfe gegen ihren Todfeind, die Varroamilbe, bestehen können. Die Hoffnung kommt aus dem Osten des Freistaats.

 

Freie Presse, 27. März 2024
von Bernhard Honnigfort

HINTERHERMSDORF — Tief im Wald bei Hinterhermsdorf am Rande der Sächsischen Schweiz, abseits der Wanderwege und nahe der tschechischen Grenze, liegt, verborgen von Fichten und Himbeerbüschen, eine unscheinbare Lichtung. Hier wird sich demnächst entscheiden, ob Honigbienen in Sachsen, Deutschland und Europa ihren seit Jahrzehnten dauernden Kampf gegen den Todfeind, die Varroamilbe, gewinnen werden. „Irgendwann sind wir so weit“, sagt Tino Lorz. Er ist ein Optimist. „Es wird ein gutes Ende nehmen.“ Davon ist er überzeugt.

Der Vermessungsingenieur aus Dresden ist Vorsitzender des Dresdner Imkervereins von 1857, der Sächsischen Buckfastimker und ist zudem im Vorstand der Europäischen Buckfastimker. Er ist ein geduldiger und viel beschäftigter Mann, der unendlich viel über Bienen weiß, und er ist guter Dinge, denn es tut sich etwas, es geht endlich voran. Seit 15 Jahren züchtet er Buckfastbienen, eine besondere Bienenart. Es ist die zweithäufigste Art Honigbienen in Deutschland neben der immer noch am meisten von Imkern gehaltenen Carnicabiene.

Tino Lorz und seine sächsischen Imkerfreunde haben sich zusammen mit anderen Züchtern in Deutschland und Europa dem Kampf gegen die Varroamilbe verschrieben, der schlimmsten und heimtückischsten Geißel der Imkerei weltweit. Und Lorz ist stolz und dankbar, dass auch auf der kleinen Lichtung im Nationalpark Sächsische Schweiz der bislang ungleiche Kampf womöglich zugunsten der Biene entschieden wird. „Es entstehen die Bienen der Zukunft, überlebensfähige, robuste Völker“, sagt er. „Was wir machen, wird die Bienenhaltung verändern und das Leben der Imker erleichtern.“

Um zu verstehen, worum es bei diesem Kampf geht, muss man einige Jahrzehnte zurück und Tausende Kilometer nach Osten blicken, nach Korea, nach Nepal, Sibirien oder in den Himalaya, irgendwo dorthin, wo die Östliche Honigbiene zu Hause ist, das Gegenstück zu unserer europäischen, der Westlichen Honigbiene. In ihren Völkern lebt seit Millionen Jahren die Varroamilbe, ein Parasit, der an Bienen und Brut haftet, an ihnen saugt und Krankheiten überträgt.

„Die Milbe ist überall, sie verursacht immense Schäden und Kosten.“
Tino Lorz Bienenzüchter

Östliche Honigbienen kommen damit aber zurecht, die Milbe vermehrt sich nur in den Zellen der männlichen Bienen, der Drohnen. Die Brut der weiblichen Arbeiterinnen lässt die Milbe in Ruhe. Es gibt eine Art Gleichgewicht und die Bienenvölker können überleben. So geht das seit Ewigkeiten.

Irgendwann vor etwa 70 Jahren muss es zu einem Wirtswechsel gekommen sein. So nennen Biologen es, wenn ein Parasit auf eine andere Art überspringt. Angeblich sollen sich in der Sowjetunion Völker der beiden Honigbienenarten so nahe gekommen sein, dass die Milbe mit der lateinischen Bezeichnung Varroa destructor (der Name sagt alles) die Seiten wechselte, nach Westen rübermachte und den GAU auslöste. Denn die Westliche Honigbiene war nicht vorbereitet auf solch einen Feind.

Die Milben vermehren sich in deren Arbeiterinnen- und Drohnenzellen ungebremst und übertragen Viren. Nach spätestens zwei, drei Jahren kollabieren die geschwächten und erkrankten Bienenvölker. So verbreitete sich die Milbe weiter und weiter: In Europa wurden erste Milben angeblich 1967 in Bulgarien entdeckt, zehn Jahre später auch in Deutschland. Seit 2022 sind sogar Bienen in Australien befallen. Die einzige varroafreie Region der Erde ist noch die Antarktis.

Ein ungleicher Kampf war entbrannt. „Die Milbe ist überall, sie verursacht immense Schäden und Kosten“, erzählt Bienenzüchter Tino Lorz. Wenn Imker nach der Winterruhe in ihre Kisten schauen und oft genug tote Völker vorfinden, hat fast immer die imkerliche Behandlung gegen die Milbe versagt. Jedes Jahr gehen so zigtausende Völker zugrunde.

Es war ja auch lange ein Kampf ohne Chance auf Sieg. Bislang ließ sich die Milbe nicht ausmerzen, nur eindämmen und kontrollieren. Als der Parasit in Europa entdeckt wurde, wehrten sich Imker mit Medikamenten, doch die Milben entwickelten Resistenzen. Außerdem sammelten sich Medikamentenreste im Bienenwachs. Eine neue Methode musste her: Säure.

Seit etlichen Jahren träufeln Imker im Sommer nach der Honigernte – vereinfacht gesagt – im Bienen- stock Ameisensäure auf kleine Schwämme. Die Säure verdunstet in der Sommerwärme, die Luft im Bienenstock wird extrem scharf und sauer. Das tötet die meisten Milben, aber macht auch den Bienen zu schaffen. Es stresst und verwirrt sie. Außerdem ist es keine zuverlässige Methode, weil immer Milben über- leben. Zudem ist es aufwendig bis umständlich und der Erfolg wetterabhängig.

Das alles ist Vergangenheit, wenn dauerhaft funktioniert, was auf der kleinen Lichtung im Wald bei Hinterhermsdorf von Imkern wie Tino Lorz seit einem Jahr erprobt wird.
„Die Behandlungen mit Säuren sind nicht mehr Stand der Dinge“, erzählt er. „Es geht doch längst ohne.“

Tino Lorz selbst betreut etwa hundert Bienenvölker. Die Hälfte davon kommt ohne jede Säurebehandlung aus und wird, wie ihre entfernten östlichen Verwandten aus dem Himalaya, allein mit der Varroamilbe fertig.

Tino Lorz setzt auf eine bestimmte Bienenart, die Buckfastbienen. Sie sind nach einem englischen Kloster benannt, wo ein deutscher Mönch vor über hundert Jahren anfing, Bienen zu züchten, nachdem ein Groß teil der Bienen auf der britischen Insel von einer Seuche dahingerafft worden war. Dieser Bruder Adam war ein feiner Beobachter, der nach Völkern schaute, die – einfach gesagt – stärker auf ihre Gesundheit achteten als andere. Der bienenbegeisterte Mönch reiste durch die Welt, studierte verschiedene Bienenunterarten und ihre Eigenheiten in Europa, Asien und Afrika, um anschließend in seinem Kloster seine Mitbringsel miteinander zu verkreuzen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Buckfastbiene ist gesund, robust, fleißig, friedlich. 1996 ist der Benediktinermönch Adam im Alter von fast hundert Jahren gestorben. Sein Lebenswerk aber ist geblieben – Züchter und Berufsimker in aller Welt beschäftigen sich weiter mit seinen Buckfastbienen. Auch in Sachsen.

Und was nun die Varroamilbe angeht: Imker aus Luxemburg zogen vor rund fünfzig Jahren die konsequentesten Schlüsse aus dem Werk von Bruder Adam. Systematisch begann man dort, nach Bienenvölkern zu suchen, die – einfach gesagt – ihren Stock sauberer halten als andere, die Milben entfernen, die hygienischer waren. Diese wurden miteinander verkreuzt, bis die Luxemburger Züchter am Ende Buckfastvölker in ihren Gärten stehen hatten, die fast oder ganz resistent waren gegen die Varroamilbe.

Experten im Einsatz: Tino Lorz (links) und Jos Gus kennen sich mit Bienen aus wie nur wenige. Fotos: Tino Lorz

Das sprach sich zu den sächsischen Buckfastimkern herum und führte zu Einladungen an Paul Jungels oder Jos Guth, den neuen Göttern der Bienenzucht aus Luxemburg. Die beiden älteren Herren, äußerst erfolgreich als Imker und zugleich begnadete Vortragskünstler, sprachen in Dresden vor Hunderten begeisterten Imkern. Freundschaften entstanden, das wertvolle Wissen der Luxemburger zur Zucht von varroaresistenten Bienenvölkern war in Sachsen angekommen. Die Zukunft hatte begonnen.

Zwanzig solcher Bienenvölker, mittlerweile längst in Sachsen vermehrt, werden jetzt im Frühjahr auf der Lichtung im Wald bei Hinterhermsdorf stehen, zwanzig weitere in der Umgebung. Wie auch schon im vergangenen Frühling, bei der sächsischen Premiere.

Die Bienen dieser Völker werden ausfliegen, vor allem aber die männlichen Drohnen. Und von überall her werden Imker kleine Kistchen anliefern, darin Arbeitsbienen und eine ganz junge Königin, die ihren Jungfernflug dann über der Lichtung im Nationalpark Sächsische Schweiz machen darf, wo sie sich in der Luft paart mit den Drohnen, die aus ihrem Stammbaum die nötigen Eigenschaften gegen den Todfeind Varroamilbe weitergeben an die Jungkönigin, die dann neue Völker bildet.

„700 Königinnen wurden so 2023 begattet“, sagt Lorz. „Das war der An- fang.“ Es gehe darum, bis zum Jahr 2033 die Resistenzeigenschaften zu verbreiten, damit irgendwann von unzähligen Bienenständen aus unzähligen Gärten in Dresden, Chemnitz, Löbau oder Mittweida im Frühjahr gesunde und varroaresistente Drohnen in den Himmel steigen, nach Jungköniginnen suchen und sich mit ihnen paaren.

Dieses Jahr geht es weiter. Zweiter Anlauf. Das Interesse in der Imkerschaft ist groß. Die Buckfastimker in Sachsen sind nicht allein. Auch in anderen Bundesländern, in Bayern, Hessen oder Sachsen-Anhalt, gibt es Lichtungen, Täler oder Waldschneisen, wo resistente Bienenvölker darauf warten, ihre rettenden Eigenschaften im Paarungsflug an die Jungköniginnen weiterzugeben.

Varroaresistenz 2033 – das ist das Ziel für Deutschland. Ein langer Weg, aber wahrscheinlich ohne Alternative. „Resistenzzucht ist der einzig vernünftige Weg“, ist sich Lorz sicher. Das Land Sachsen kümmert sich um seine Imker und Bienenvölker. Rund 600.000 Euro pro Jahr, so Lorz, gebe der Freistaat aus. Aber nur ein Bruchteil des Geldes gehe in neue, erfolgversprechende Wege wie die Resistenzzucht. „Da könnte man deutlich mehr tun.“

Aber er will nicht klagen oder jammern. Es gibt genug zu tun. „Mühevoll, ja“, meint Lorz. Aber am En- de lohnen die Mühen, es gewinnen alle: „Die Bienen sind gesünder, die Völker stärker, es gibt mehr Honig, die Imker haben deutlich weniger Stress und Arbeit.“

 




Weltbienentag in der Oberlausitz

Honigbienenhaltung in Wald und Garten hat eine lange Tradition in der Oberlausitz.
Bis zur Mitte des 18.Jahrhunderts ruhte sie bei den Zeidlerfamilien, die sich auf die Waldbienenhaltung ver- standen. Sie betreuten die Bienen im Wald und ernteten deren Honig und Wachs. Die Bienen wohnten in gefertigten, künstlich ausgehöhlten Stämmen alter großer Kiefern mit ausreichendem Stammumfang. Die Besiedlung der Zeidlerbäume war durch das natürliche Schwarmverhalten der Bienen gegeben.
Imker- und Zeidlerwesen waren zu dieser Zeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor nicht nur in der Oberlausitz. Bienen liefern Honig und Wachs für Beleuchtung und kirchliche Rituale und bestäuben zahlreiche Nutzpflan- zen. Das Wissen um die nutzbringende Haltung von Waldbienen, die sich über Schwärme vermehren, wurde vom Vater auf den Sohn weitergegeben.

Gotlob Adam Schirach, in sorbischer Sprache Hadam Bohuchwał Šěrach, ge- winnt nach seinem Studium an der Universität in Leipzig 1748 die Pfarrstelle in Kleinbautzen in der Oberlausitz. Er ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften. 1766 gründete er die über Ländergrenzen hinaus agierende Physikalisch-oeconomische Bienengesellschaft. Sie gibt den „Sächsischen Bienenvater“ heraus und unterrichtet angehende Imker. Seine Schüler kommen aus Bayern und Wien. Auch Katharina die Große entsendet zwei Schüler, die die Kunst des Imkern bei G.A. Schirach erlernen.

Er spricht sorbisch und deutsch und erringt in seiner Eigenschaft als Pastor das Vertrauen der umliegenden Zeidler. Er sammelt, korrigiert und ergänzt deren Erkenntnisse und beschreibt die praktischen Fertigkeiten der Waldbienenhaltung. In eigenen Versuchen findet er heraus, dass Bienen in der Lage sind, aus einem isolierten Bruchstück einer Bienenwabe mit frisch gelegten Eiern eine neue Königin zu ziehen.

Es folgen zahlreiche Publikationen im „Sächsischen Bienenvater“, herausgegeben durch die Physikalisch-oeko- nomische Gesellschaft. Nach seinem frühen Tod im Jahr 1773 wird sein letztes Buch, „Die Waldbienenzucht“ herausgegeben.

A.G. Schirach ist der Vater der Ablegerbildung. Er machte die Honigbiene zum Haustier und die Imkerei un- abhängig vom natürlichen Schwarmverhalten der Biene.

Am Weltbienentag feiern wir den Geburtstag Anton Janšas, ab 1769 Hofimker Maria Theresias am kaiser- lichen Hof in Wien. Er ist ein Zeitgenosse Schirachs. Er nutzte und entwickelte die Erkenntnisse Schirachs. Er bewies das Paarungsverhaltens der Königin, lehrte die Königinnenzucht, führte die Zarge lange vor der Erfindung der frei beweglichen Rähmchen in der Beute ein und förderte die damit möglich gewordene Wanderimkerei.

Zu Ehren von Gotlob Adam Schirach entstand in Kleinbautzen der „Schirachpfad“. Auf beschaulichen 4km geht es von der sehr sehenswerten Kirche in Kleinbautzen durch den kleinen Ort, an Feldern und Wiesen vorbei zum Teufelsstein von Pließkowitz – „dem Stonehenge vor den Toren der Stadt Bautzen“. Unterwegs be- gegnen uns große Schautafeln zu Themen rund um Bienen, Hummeln, Wespen und Wildbienen.

© Text und Fotos: Marion Loeper

 




Tod im Beutelchen

In Nordspanien ist die Asiatische Hornisse längst eine Plage und bedroht die Imkerei.
Bei uns in Deutschland taucht sie immer häufiger auf.
Von Bernhard Honnigfort, 62 Jahre alt,  imkert seit elf Jahren in Striesen

„Dreckspack“, schimpfte Jos Guth, als sein Vortrag einen Schlenker machte und bei der Asiatischen Hornisse angelangt war. Der Rest seiner Verwünschungen auf das unerwünschte Insekt ging dann im eigenen Gemurmel unter.

Am 29. Oktober vergangenen Jahres war die Imker-Legende aus Luxemburg einen Tag lang in Dresden zu Gast und erzählte gut gelaunt aus seinem Leben als erfolgreicher Buckfastimker  und Königinnenzüchter. Ein grandioser Vortrag, leicht und humorvoll aus dem Ärmel geschüttelt, als sei der Mann nebenbei auch im Karneval als Redner unterwegs. Er verriet Tricks und Kniffe, zählte auf, was man als Imker alles falsch machen kann und was man um Gottes Willen nie tun darf. Das Publikum, einige waren sogar aus Rumänien angereist, um ihm zuzuhören, lauschte so andächtig wie amüsiert und schrieb emsig mit. Ein höchst kenntnisreicher Profi voller Witz und Wissen packte aus und ließ eine vergnügt staunende Zuhörerschar an seinem großen Erfahrungsschatz teilhaben. Gut gelaunt allerdings nur bis zu dem Moment am Nachmittag, als er auf das „Dreckspack“ zu sprechen kam, das ihm seit einiger Zeit Sorgen bereitet, die Asiatische Hornisse.

Jos GuthSeit etwa zehn Jahren taucht der ungebetene Eindringling aus Asien auch in Guths Heimat Luxemburg auf. Die Hornisse ernährt sich gerne von Honigbienen, sie ist ein Alptraum für jeden betroffenen Imker. Die Europäische Kommission hat das Insekt als gefährlich für die Honigbiene und ganze Ökosysteme eingeschätzt und auf die Liste invasiver Arten gesetzt. Jos Guth berichtete, wie in Luxemburg die oft hoch in Bäumen hängenden Hornissennester aufwendig und teuer mit Hubsteigern beseitigt werden mussten.

Was die Hornisse anrichten kann, lässt sich derzeit sehr gut in Nordspanien beobachten. Dort sprechen Imker und Naturschützer von einer Katastrophe. Seit etwa 2004, als das Insekt vermutlich über Südfrankreich ins Land kam, breitet es sich beinahe ungebremst aus und ist in den Bergen und Wäldern Kantabriens auch so gut wie nicht aufzuspüren.

August 2022, ein Obstgarten in Cadavedo, einem kleinen Dorf zwischen Hügeln und Wiesen unweit von Oviedo an der spanischen Nordküste. Apfelbäume, Birnbäume, Zitronen – ein Traum von einem Bauerngarten. Er gehört zu einem ehemaligen Hof, dessen Scheune heute an Urlauber vermietet wird. Die beiden Besitzer, Michael und seine Frau Nuria, erzählen. Eine Bauerngegend sei das, früher hätten auf den Höfen auch Bienenbeuten gestanden. Aber das sei vorbei, seit dieses schreckliche Insekt da sei.  Hinten in ihrem Garten steht ein großer Birnbaum, darunter liegt ein Haufen zusammengekehrtes Fallobst, matschige und angefaulte Früchte. Auf und in ihnen krabbeln etliche Asiatische Hornissen herum. Sie sehen etwas anders aus als unsere hiesigen Hornissen, dunkler und kompakter. Sie klingen anders, brummen weniger, es hört sich eher schnarrend an und schärfer im Ton.

Was am meisten auffiel an jenem sonnigen Augustnachmittag,  war das, was nicht da war: Es gab tatsächlich überhaupt keine anderen Fluginsekten in dem Garten, keine Honigbienen, keine Wildbienen, keine Hummeln, keine Schmetterlinge, nicht einmal Fliegen und Brummer tummelten sich auf dem Fallobst oder auf dem Komposthaufen. Nichts, nur „la Avispa asiática“, wie sie in Spanien heißt. „Wenn die Hornissen kommen, ist hier kein Platz mehr für andere Insekten“, erzählte Nuria, die Vermieterin. Im Frühjahr sei das noch anders, aber im Spätsommer: „Es ist ein Trauerspiel.“

In Spanien unternehmen Regierung, Behörden, Imker, Naturschützer und Tausende Freiwillige seit Jahren alles Mögliche, um die Ausbreitung des Eindringlings zu stoppen. Jugendliche und Studenten sind in die Berge gezogen und haben nach Nestern Ausschau gehalten, die dann mühselig aus den Bäumen geholt wurden. Oder man hat mit langen Stangen oder Luftgewehren Gift in die kugeligen Nester injiziert. Man hat mit Drohnen Nester aufgespürt und Gift versprüht. In der Region Kastillien & León ließ das regionale Umweltministerium über 400 Studenten schulen, die dann Lockmittel und Fallen aufstellten. In der Gegend um Villafranca del Brezo wurden innerhalb von vier Jahren 1806 Königinnen vernichtet, in Galicien, so Behördenangaben, sollen 2019 etwa 15000 Hornissennester zerstört worden sein. Im Jahr darauf sollen 7000 geschulte Freiwillige in der Provinz Asturien in Fallen etwa 125000 Wespen gefangen haben.

Der Kampf gegen die Asiatische Hornisse erinnert ein wenig an das Märchen vom Hasen und Igel. Wo der Mensch mühevoll nach ihr sucht und ihr nachstellt, da ist sie schon längst.  Laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) ist die Einwanderung nach Europa mittlerweile „unumkehrbar“.

Auch in Deutschland taucht das „Dreckspack“ regelmäßig auf. Im August 2022 forderten die Bieneninstitute Imker auf, doch mal 30 Minuten die Eingänge der Beuten im Blick zu behalten und zu prüfen, ob dort keine Asiatischen Hornissen auf Jagd gehen. Taucht die Asiatische Hornisse auf, so Jos Guths Beobachtungen, verlassen die Bienen nicht mehr die Beute. Fliegen  vier oder fünf Hornissen, so der Luxemburger Imker, vor einer Beute herum, sei die Sache verloren.

In Südwestdeutschland wird sie seit 2014 regelmäßig gesichtet.In der Pfalz, in Freiburg, Mannheim und Hamburg wurde sie gefunden und vergangenes Jahr auch erstmals in Nordrhein-Westfalen. Als im Herbst die Blätter fielen und Nester in kahlen Baumwipfeln zum Vorschein kamen, war erkennbar: Auch in Deutschland scheint sich das  lateinisch Vespa Velutina nigrithorax genannte Insekt zu etablieren, nur eben noch deutlich langsamer als in Frankreich oder Spanien. Ob es hier auf Dauer heimisch wird, ist die Frage aller Fragen. Angeblich bevorzugt es milde Klimazonen, weshalb es beispielsweise im brütend heißen Zentralspanien bislang nicht vorkommt. Das Bienenjournal schrieb im Mai 2021, die Bedrohung sei noch nicht abschließend geklärt. Auch die Frage, wie gefährlich  die Hornisse für die Imkerei ist und ob sie tatsächlich unter „Dreckspack“ einsortiert werden muss, wird unterschiedlich gesehen. In einem drei Jahre alten Bericht der Süddeutschen Zeitung wird der Insektenkundler Rolf Witt zitiert: „Die Asiatische Hornisse ist weder ein Monster, noch haben wir aktuell Hinweise darauf, dass sie besonders gefährlich ist.“ Das dürfte sich aber vermutlich eher auf Horrortexte in sozialen Netzwerken beziehen, auf Verwechslungen mit der Asiatischen Riesenhornisse und auf die tatsächlich geringe Gefahr für Menschen durch Stiche.

Für Imker in Nordspanien oder Frankreich ist die Sache hingegen klar und der Kampf gegen den Eindringling unumgänglich. Dabei wird alles versucht. Auf was für Ideen Bekämpfer kommen und wie sehr Not erfinderisch macht, zeigt das Beispiel von José Miguel San Juan, eines Ingenieurs aus der Nähe von Santander. Der Mann braucht keine Freiwilligen, die auf die Suche nach Hornissennestern gehen, er braucht keinen Hubsteiger, um an Nester zu gelangen, keine Stangen oder Luftgewehre, um gefundene Nester der Asiatischen Hornisse zu zerstören.

Er lässt das die Hornissen selbst tun. Sein Konzept und seine kleine Internetfirma heißen: LOYDERN, auf Spanisch: LOcalicazión Y DEstrucizión Remota de Nidos, auf Deutsch: Auffinden und Zerstören von Nestern aus der Ferne. Wie das funktioniert, kann man auf Filmen seiner Seite loydern.com sehen: Er fängt Hornissen und hängt ihnen mit Hilfe von Zeichenkolben oder Zeichenfängern, wie  Imker sie für die Markierung  von Bienenköniginnen nutzen, ein Beutelchen um, darin Gift, das er aus Anti-Mückensteckern gewonnen hat.

Ein kurzer Film zeigt, wie gut seine Methode wirkt: Hornissen, mit Beutelchen und Tod im Gepäck, werden von ihm freigelassen und fliegen ihr Nest an, das in diesem Fall nicht in einem Baum, sondern in einem Schuppen hängt und deshalb aus der Nähe gefilmt werden kann. Die ankommenden Hornissen krabbeln mit tödlicher Fracht ins Nest. Nach wenigen Minuten wird es laut, ein deutliches Brummen ist zu hören, dann hasten Hornissen aus dem Nest und fallen zu Boden.

Die Methode des Herrn San Juan stößt in Nordspanien ganz offensichtlich auf Interesse und Nachahmer. Auf seiner Internetseite verkauft er bis auf das Gift alles, was man zur Bekämpfung braucht und verspricht, so einen Umkreis von 1500 Metern von der Asiatischen Hornisse zu befreien.

Was schon mal ein brauchbarer Anfang wäre.